Dienstag, 8. November 2011

Bettgeflüster à la Neurotisch

Das Leben ist vielleicht ein Tränental, aber mit Woody Allen ist es erträglicher darin zu leben. In seinem epochenmachenden Film „Der Stadtneurotiker“ erforscht er den Paar-Kosmos und würzt das Ganze mit seinen Meditationen über das Leben als auch den Tod.
Wenn im Leben eine neurotische Frau Annie Hall (Diane Keaton)  auf einen neurotischen Mann Alvy Singer (Woody Allen) trifft, entsteht eine nervöse Romanze, die in diesem Fall in einer gegenseitigen Psychoanalyse mündet. Bevor aber das passiert entfaltet  sich eine Liaison mit allen möglichen Eigenartigkeiten, Dilemmata und Konflikten, die dann zu therapieren sind. Annie Hall ist eine Verkörperung der Leichtigkeit, die für den todesfaszinierten Alvy eine psychologische Herausforderung darstellt. Er selbst ist ein Stand Up Comedian, der regelmäßig dem Psychiater Besuche abstattet, um seine anwachsenden Egoprobleme endlich zu lösen. Von seiner sympathischen Neurose lebt der Film, der trotz der Thematisierung behandlungsbedürtiger Probleme stets leicht und erheiternd bleibt.
Woody Allen ist ein Meister des intellektuellen Kinos, das die Abgründe der zwischenmenschlichen und –geschlechtlichen Beziehungen erkundet. Seine unnachahmliche Art die komplexen Zusammenhänge auf den Punkt zu bringen, macht seine Filmsprüche zitier- und salonfähig. Sein Film besteht vorwiegend aus prägnanten Dialogen, die überall stattfinden. Das macht eben den Charme von diesem referenzreichen Film aus, der viele Regel des konventionellen Kinos bricht. Alvy befragt die Passanten nach ihrem persönlichen Glück, erscheint als Erwachsener in seinem ehemaligen Klassenzimmer und lässt die selbstzweiflerischen Gedanken der Protagonisten als Untertitel sichtbar werden. Der Film amüsiert über die ganze Länge und sprudelt mit Witz und geistvoller Konversation über. Der rasende spritzige Erzählstil und im Flug wechselnden Szenen machen ihm zu einem unvergesslichen Abenteuer, der nicht genug gelobt werden kann. Ein Meilenstein des bebrillten Neurotikers aus New York. Semiautobiographisch, niveauvoll und unterhaltend.

Der Stadtneurotiker/ Regie: Woody Allen/1977

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