Sonntag, 20. November 2011

Intensivpflege von innen


Alle Arztserienliebhaber aufhorchen! Das Buch von Karin Grunwald wirft einen ernüchternden Blick hinter die Kulissen des Gesundheitsbetriebes und bleibt dabei lachlustig.
 Der Alltag auf der Intensivstation hat nichts mit der kolorierten Fiktion der Krankenhausserie zu tun. Da geht es knallhart zu. Unbarmherziger Schichtdienst, aufgeblasene Chefärzte, verzweifelte Patienten, Multiorganversagen, Sepsis- das sind nur wenige der Stichworte, die das Berufsprofil  und Arbeitsumstände einer Fachkrankenschwester für Anästhesie und Intensivpflege umreißen. Der Leser erfährt, dass Intensivpflege eigentlich Akkordarbeit ist und dass „elastisches Gewissen“ durchaus Vorteile bringen kann. Manchmal ist die Arbeit purer Horror, manchmal ist die Dankbarkeit der Patienten wohltuend und rührend. Grunwald schildert schonungslos das kränkelnde Gesundheitssystem, in dem sie nur dank einer ordentlichen Portion schwarzen Humors zurechtkommt und den Mut nicht verliert. Sie lässt keine bestürzenden Einzelheiten weg und schildert drastische Details der täglichen Pflege, die sehr unappetitlich sein können. Sie zeichnet die Realität ihres Arbeitstages, die nichts mit der Heimeligkeit zu tun hat. Der Tod und Zerfall lauern überall und am Pflegepersonal liegt es den Kampf gegen die Zeit zu gewinnen. Sie erzählt fesselnd und intelligent. Satirisch legt sie die Missstände des Systems bloß. Ihr Buch wird vielleicht den Berufseinstieg manch einer angehenden Krankenschwester verhindern, bei den anderen wird es nur ungläubiges Kopfschütteln, Schock und unterdrücktes Lachen hervorrufen.
Eine erstklassige Schilderung einer Insiderin, die mit saftigen Formulierungen nicht spart. Eine Dekonstruktion des Traumberufes „Krankenschwester“.

Katrin Grunwald/ Schwester! Mein Leben mit der Intensivstation/ Rowohlt Verlag/ 2011/ 8,99 

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